Ehemaliges Bauernwohnhaus Marzahn
seit 2001 Haus Kladower Forum
Haus Kladower Forum, Front 2009 – Foto: Rainer Nitsch
Der ehemalige Bauernhof der alteingesessenen Kladower Bauernfamilie Marzahn gehört zu den Höfen, die sich bereits auf einem Dorfplan von 1771 nachweisen lassen. Aus einem „Situationsplan“ von 1842 ist ersichtlich, dass an der Stelle des heutigen Gebäudes Kladower Damm 387 schon das Wohnhaus des Bauernhofs des Kossäthen Ludwig Marzahn mit Rohrdach gestanden hat.
Situationsplan Bauernhof Marzahn, 1842 –
Quelle: Kladower Forum e. V., Archiv Werkstatt Geschichte
Dieser Hof schloss sich unmittelbar an das Pfarrgrundstück an. Da damals noch nicht die 1951/52 verlegte Straßentrasse des Kladower Damms den Marzahnschen Bauernhof vom Pfarrhof trennte, besaß dieser Hof praktisch „Torfunktion“ am Ortseingang. Der frühere Verlauf des heutigen Kladower Dammes ist heute noch durch die Baumreihe vor dem Cladow Center sichtbar. Er führte dann im Bogen bis vor den Dorfplatz und wies damit weiter auf den Weg runter zum Kladower Hafen. Durch die Begradigung wird der Eindruck erweckt, als führe der Kladower Damm direkt durch den Ort weiter in die Sakrower Landstraße. Damit war der bisherige Charakter Kladows als Fischer- und Schifferdorf endgültig auch formal beseitigt.
Alte Straßenführung 1951.Links hinten das Haus Marzahn,
rechts das Pfarrhaus, in der Mitte der heute nicht mehr existierende Pfarrgarten –
Quelle: Kladower Forum e. V., Archiv Werkstatt Geschichte
Das heutige Haus wurde im Jahr 1880 vom Bauerngutsbesitzer Carl Friedrich Marzahn anstelle des rohrgedeckten Vorgängerhauses erbaut. Bei den Sanierungsarbeiten sind wir auch auf die Fundamente dieses Gebäudes gestoßen. Der damalige relative Wohlstand des Bauern dokumentiert sich in der massiven Ziegelbauweise mit voller Unterkellerung. Bemerkenswert ist, dass sich die Decken im gesamten Kellergeschoss durch die leichte Wölbung der sog. ,,preußischen Kappe“ zwischen den T-Trägern auszeichnet. Diese ist vollständig erhalten geblieben.
Im Dachgeschoss existiert noch die bäuerliche Räucherkammer, die ihren originalen Zustand beibehalten hat. Die spätklassizistische Stuckfassade zeigt die typische Ornamentik dieses Baustils, die ergänzt wird durch erhaltene bauliche Details wie Fenster, Türblätter und Beschläge. Es existieren keine Nebengebäude mehr. Scheune, Ställe und eine Vogelvoliere befanden sich auf dem heutigen sog. Marzahnschen Dreieck, der Grünfläche, auf der der Findling liegt. Bedeutend erscheint der noch vorhandene Garten hinter dem Wohnhaus, der noch den früheren Bauerngarten erahnen lässt.
Skizze zur Anlage des Marzahnschen Bauernhofs vor 1945 –
Quelle: Kladower Forum e. V., Archiv Werkstatt Geschichte
In den Nachkriegsjahren war im Erdgeschoss über lange Zeit ein Friseurgeschäft untergebracht. Das Gebäude ist in der Denkmalliste des Landeskonservators aufgeführt, die kulturhistorisch erhaltenswerte Gebäude enthält. Bedeutend ist dieses Bauwerk für den ursprünglichen Dorfcharakter Kladows auch im Zusammenhang mit dem gegenüberliegenden ehemaligen Gebäude des Küsters (1876 als Küsterwohnung und Dorfschule erbaut, ab 1902 Kaiserliche Post- und Telegraphenstation) und dem ebenfalls um 1880 erbauten Wohnhaus des Mittelbauern Karl August Hönow (Kladower Damm 380/382), etwa 30 Meter entfernt.
Grundstück und Haus befanden sich seit 1940 im Besitz der Stadt Berlin, die damals den gesamten Bauernhof aufkaufte, um den Kladower Damm zu begradigen. Durch die Kriegsereignisse kam es allerdings erst 1951 dazu.
Seit dem Tod der letzten Bewohnerin des Hauses im Jahr 1992, die ein Dauerwohnrecht besaß, stand das Gebäude leer.
Haus Kladower Forum, Front 1993 – Foto: Hanne Ritter
Seit dieser Zeit bemühte sich das Kladower Forum e. V. um eine Nutzung als ,,Haus Kladower Forum“. Über viele Zwischenstationen konnten wir dann 2001 einen Kaufvertrag unterzeichnen, der uns zur Auflage machte, das Gebäude von Grund auf denkmalgerecht zu sanieren und spätestens nach 15 Jahren eine Investitionssumme von rd. 200.000 Euro nachzuweisen. Durch mangelnde Lüftung und Pflege breitete sich vom Keller der aggressive Schimmelpilz und von dem Dachgebälk der Holzbock ungehindert aus.
Kladower Damm 387, Schwamm auf den Dielen im Erdgeschoss, August 1997 –
Archiv Kladower Forum e. V.
Wir wurden auf Antrag in das Förderprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz aufgenommen, eine Voraussetzung dafür, dass uns auch das Landesdenkmalamt finanziell unterstützte. Wir mussten dafür allerdings mindestens die Hälfte der notwendigen Sanierungsmittel durch Spenden der Bevölkerung, durch Eigenmittel und durch Eigenarbeit aufbringen. Förderungswürdig waren nur Arbeiten an denkmalgeschützten Teilen des Hauses. Uns kam auch zugute, dass das Oberstufenzentrum Bautechnik I dieses Gebäude zum Ausbildungsobjekt erklärte. Insgesamt konnten wir mehr als das Doppelte der im Kaufvertrag verlangten Summe aufbringen.
Am 07. Juli 2007 feierten wir die Fertigstellung des Hauses Kladower Forum als Begegnungsstätte für Kladower und Besucher sowie die Nutzung durch kulturelle Veranstaltungen des Kladower Forum. Inzwischen ist der gemeinnützige Verein ins Grundbuch eingetragener Eigentümer von Haus und Grundstück Kladower Damm 387.
Rainer Nitsch