Das alte Olympische Dorf – Ein Ausflug zum Nachdenken

Die Gruppe „Werkstatt Geschichte“ machte ihren Ausflug diesmal nach Döberitz-Elstal, um das alte Olympische Dorf kennenzulernen. Seit einem Jahr ist ja das 550.000 qm große Gelände im Sommer wieder zur Besichtigung freigegeben. So erkundeten wir am 18. August unter sachkundiger Führung in einem zweistündigen Rundgang das weitläufige Gelände und erlebten dabei manche Überraschung.

Die unversehrte Große Turnhalle ist jetzt Besucherzentrum. Dort kann man sich anhand einer maßstabgetreuen Nachbildung des Dorfes einen Überblick verschaffen über die Lage der etwa 150 Gebäude rund um eine zentrale Grünfläche, über die Sportanlagen und die Einbeziehung der landschaftlichen Gegebenheiten – Wiesen, Bäume, Hügel, Wasser.
Unser Rundgang führte uns zunächst zum „Hindenburghaus“, dem Veranstaltungs- und Begegnungshaus mit einem Großen, hellen Saal. Von der späteren Nutzung durch die sowjetische Besatzung zeugen Darstellungen von Lenin u. a. neben denen marschierender Soldaten aus der Nazizeit im Foyer. Auch an anderer Stelle entdeckten wir später Spuren der wechselnden Besitzer: Plattenbauten für sowjetische Soldaten neben den ursprünglichen Anlagen.

Während das Empfangsgebäude zerstört und der Tunnel zum Militärgelände der gegenüberliegenden Döberitzer Heide zugeschüttet ist, sind andere zentrale Bauten noch erhalten, z. B. das „Haus der Nationen“, in dessen riesigem Oval sich einst 38 Speisesäle befanden.

Haus der Nationen Olympische Dorf Döberitz-Elstal
Haus der Nationen

Jede Nation hatte also ihren eigenen Saal für Essen und Geselligkeit. Nach den Spielen wurde das Speisehaus zum Militärhospital für die dort ansässige Infanterieschule. Seine Großen Terrassen im zweiten und dritten Stockwerk und u. a. auch besagter Tunnel machen deutlich, dass beim Bau des Olympischen Dorfes von vornherein die spätere militärische Nutzung eingeplant war.

Erhalten geblieben ist auch die hochmoderne Schwimmhalle, die aber durch einen Brand 1993 nicht mehr benutzt werden darf. Von den 135 eingeschossigen Wohnhäusern mit Zweibett-Zimmern für die ausschließlich männlichen (!) Teilnehmer sind noch wenige vorhanden, aber in desolatem Zustand. Nur das Haus mit dem Zimmer von Jesse Owens, dem mehrfachen Goldmedaillengewinner, ist sorgfältig restauriert worden.

Wohnhäuser Olympische Dorf Döberitz-Elstal
Wohnhäuser Olympische Dorf

Eindrucksvoll fand ich auch den Erholungsteil des Dorfes. Ein See mit Sauna, Liegewiese und kleiner Gaststätte ist leider verschwunden, aber der Blick vom Hügel, der „Bastion“, das Tal hinab zum – ausgetrockneten – See ist immer noch wunderschön.
Das ganze Dorf ist nach Abzug der Russen von der DKB-Stiftung erworben und 1993 unter Denkmalschutz gestellt worden. Aber was soll nun daraus werden? Darauf weiß offenbar niemand z. Zt. eine Antwort. Baulichen Veränderungen sind durch die Auflagen des Denkmalschutzes enge Grenzen gesetzt, die eine wirtschaftliche Nutzung erschweren.

So erlebten wir das Olympische Dorf als Problemfall: mit seiner olympischen und später militärischen Vergangenheit im 3. Reich, seiner teilweisen Zerstörung, der Nutzung durch die sowjetische Besatzung, seiner Gegenwart im Dornröschenschlaf, die wenigstens eine Wiederbegegnung ermöglicht, und einer ungewissen Zukunft.
Bei unserem Picknick am Schluss auf grünem Rasen, unter einem alten Baum, gingen uns so manche Gedanken durch den Kopf.
Anne Lange (Werkstatt Geschichte)

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